Das Lied des Achill by Miller Madeline

Das Lied des Achill by Miller Madeline

Autor:Miller, Madeline [Miller, Madeline]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2011-11-08T23:00:00+00:00


Siebzehntes Kapitel

Zuerst ging es nach Aulis, jene wie ein Finger ins Meer hinausgestreckte Landzunge, an der sich, wie es Agamemnon wollte, die gesamten Streitkräfte versammeln sollten, vielleicht zum machtvollen Zeichen der Entschlossenheit des erzürnten Griechenlands.

Nach fünftägiger Reise durch das raue Gewässer vor der Küste Euböas tauchte das Zwischenziel vor uns auf, so plötzlich, als hätte sich ein Vorhang geöffnet. Unzählige Schiffe in allen Größen, Farben und Formen lagen vor Anker, Tausende und Abertausende von Männern bevölkerten den Strand. Die Zeltstadt im Hintergrund erstreckte sich bis zum Horizont. Über den Pavillons der Könige wehten bunte Fahnen. Unsere Männer legten sich in die Riemen und steuerten auf jene letzte Stelle am überfüllten Ufer zu, die gerade groß genug war für unsere fünfzig Boote.

Hörner erschallten, als sie vor Anker gegangen waren. Die Myrmidonen wateten durchs Wasser zum Strand, zweitausendfünfhundert Männer in weißen, fliegenden Gewändern, die auf ein Zeichen hin wie aus einer Kehle den Namen des Prinzen riefen. Achill! Alle, die schon dort waren, Männer aus Sparta, Argos und Mykene, reckten die Köpfe. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Achill ist gekommen.

Als unsere Männer die Lauframpe senkten, sahen wir sie kommen: Fürsten und deren Waffenträger. Ich konnte die einzelnen Gesichter nicht erkennen, wohl aber ihre Banner: das gelbe von Odysseus, das blaue von Diomedes und schließlich das hellste und größte, auf dem ein purpurroter Löwe abgebildet war, das Symbol von Agamemnon und Mykene.

Achill warf mir einen Blick zu und holte tief Luft. Die Verabschiedung in Phthia war nichts im Vergleich zu diesem Empfang. Ich sah, wie er seine Schultern straffte. Seine grünen Augen blitzten. Er bestieg die Lauframpe und blieb auf der höchsten Stufe stehen. Die Myrmidonen verstummten. Mitstreiter aus anderen Verbänden hatten sich zu ihnen gesellt. Ein breitschultriger Schiffsführer legte die Hände zu einem Trichter vor den Mund und rief: »Prinz Achill, Sohn des Königs Peleus und der Göttin Thetis. Aristos Achaion!«

Wie zur Antwort riss die Wolkendecke auf. Gleißende Sonnenstrahlen fielen auf Achill und verwandelten seine hellen Haare in goldenes Feuer. Er wirkte mit einem Mal größer und stattlicher. Sein Gewand, zerknittert von der Reise, schien sich zu glätten und leuchtete so weiß und rein wie ein Segel.

Jubelstürme erfüllten die Luft. Thetis, dachte ich. Es konnte nicht anders sein. Sie ließ ihren Sohn in seiner Göttlichkeit und seinem Ruhm erstrahlen.

Ich sah, wie ein Lächeln seine Mundwinkel umspielte, er genoss es. Später erzählte er mir, dass er von diesem Empfang überrascht worden sei. Doch er stellte ihn nicht in Frage. Es schien, dass er ihn im Nachhinein als durchaus angemessen erachtete.

Die Menge öffnete ihm eine Gasse hin zu den versammelten Fürsten. Jeder ankommende Prinz hatte sich vor ihnen und dem neuen Oberbefehlshaber zu melden. Nun war Achill an der Reihe. Er verließ das Schiff, passierte das Spalier rempelnder Männer und blieb drei oder vier Schritte vor den Königen stehen. Ich hielt Abstand.

Agamemnon wartete auf uns. Seine Nase war scharf und gebogen wie ein Adlerschnabel, die Augen glitzerten hellwach und gierig. Mit seiner breiten Brust und den stämmigen Beinen wirkte er überaus kraftvoll, aber auch abgekämpft.



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